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MARK G.'s RUNDUMSCHLAG |
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Leserbriefe | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Komm wir gehen ins Kino! |
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I Der Slogan aus den 80er Jahren ist so einfach wie genial - er impliziert, dass man jederzeit ohne Probleme ins Kino gehen kann und es sicherlich nicht die Welt kosten wird...
Ich will jetzt gar nicht darauf herumreiten, dass es inzwischen oft überhaupt nicht möglich ist, "jederzeit" ins Kino zu gehen, da in vielen Städten am Nachmittag nur noch Kinder- und Familienfilme laufen und es selbst in Großstädten schwierig ist, einen Film für "Erwachsene" zu finden, der vor 17.00 Uhr läuft... (ich muss nicht erst betonen, dass eine gewisse Besucherschicht dem Kino dadurch verloren gegangen ist).
Viel schwerwiegender ist die Tatsache, dass der zweite Teil der implizierten Aussage nicht mehr zutrifft... Wann immer ich mit branchenfremden Mitmenschen zu tun habe, kommt das Gespräch innerhalb kürzester Zeit trotzdem auf das Thema Kino. Und wenn dies der Fall ist, dann höre ich in letzter Zeit nur noch eines: "Das Kino ist viel zu teuer geworden, deswegen gehen wir nicht mehr" (alternativ: "nicht mehr so oft")...
Und ich kann es ihnen nicht ausreden, da ich oft selbst über die Preise schockiert bin - nicht nur an der Kasse, auch an der Theke.
Da wäre zum einem der 3D-Schock: Hatte man im Dezember 2008 noch pro Familienmitglied im Schnitt €5,70 für Madagascar 2 bezahlt, waren es 18 Monate später €8,05 für den DreamWorks-Kollegen Für immer Shrek - eine durchschnittliche Preissteigerung von 41 %! Eine vierköpfige Familie musste also statt €22,80 nun im Schnitt €32,20 hinblättern - ein psychologischer 10-Euro-Schock (muss ich erst extra betonen, dass der Durchschnittspreis einer DVD nur €11,82 (2009) beträgt?...) - tatsächlich war der Schock bei 3D-Tickets aber noch wesentlich größer, schließlich sind im Durchschnittspreis des letztgenannten Films ja auch noch die billigeren 2D-Tickets enthalten!
Manche Kinos- und Ketten praktizieren sogar die Unsitte, dass man jedes Mal aufs Neue für die 3D-Brillen zahlen muss - auch wenn man schon eine hat. Dies stößt beim "gewöhnlichen" Kinogänger ebenso auf Unverständnis wie bei mir und gehört schleunigst abgeschafft.
Kein Wunder also, dass so gut wie alle 3D-Familienfilme inzwischen enttäuschend laufen, wie ich schon in diesem Artikel erläutert habe. Die größte Gefahr ist aber, dass diese Preis-Schocks natürlich ohne weiteres auch auf 2D-Filme überschwappen können - schließlich kann man ja vom Publikum nicht ohne weiteres erwarten, dass es die Preise differenziert betrachtet.
In diesem Zusammenhang war es schlichtweg fatal, dass einige Kinoketten den ermäßigten Kinotag am Donnerstag abgeschafft haben. Anstatt mehr preisgünstige Alternativen anzubieten, wurde noch eine weitere (versteckte) Preiserhöhung durchgesetzt. Und die Folgen machen sich schon bemerkbar - der Donnerstag war in den letzten Monaten nur noch ein Schatten seiner selbst - die Besucherzahlen am Donnerstag sind im Vergleich zu den anderen Tagen besonders rückläufig.
Ich kann nur eindringlich davor warnen, diesen Weg weiterzugehen - im Gegenteil, das Kino muss wieder deutlich preiswerter werden und zeitgleich muss auch wieder das Image eines preisgünstigen Freizeitvergnügens aufgebaut werden. Dieses Image ist innerhalb kürzester Zeit verloren gegangen und es wird ohne entsprechende Kampagne wahrscheinlich lange dauern, bis es tatsächlich wieder aufgebaut ist. Am schnellsten geht dies natürlich durch die Wiedereinführung des ermäßigten Kinotags am Donnerstag und selbstverständlich müssen Familientickets wieder deutlich günstiger werden. Kinder müssen mit Kino aufwachsen, damit sie später auch als Erwachsene ins Kino gehen! Ich befürchte aber, dass es ohne eine kostspielige Imagekampagne nicht gehen wird - hier sind also auch die Verbände und die FFA gefragt!
Jeder Kinobesitzer, der den Standpunkt vertritt, dass er dank der 3D-Zuschläge 2010 (umsatztechnisch) mit einem blauen Auge davongekommen ist, macht sich da ganz schön was vor. Ich befürchte nämlich, dass die Besucherzahlen 2010 die miserabelsten seit 1992 sein werden - und das obwohl es 1992 gerade mal 3.658 Kinosäle gab, während es heute 4.673 (Juni 2010) sind. Und ich möchte diese Kinobesitzer daran erinnern, dass nicht Umsätze, sondern Besucher an der Theke Popcorn kaufen.
II Erschwingliche Eintrittspreise sind aber auch aus einem anderen Grund extrem wichtig. Unsere Branche leidet wie keine andere unter äußeren Einflüssen - egal ob Schneestürme oder Sommerhitze, Fußball-WMs oder lokale Ereignisse, immer nagt etwas am Kinokuchen (natürlich spielt auch die Qualität und Kommerzialität der Filme eine Rolle). Ich hatte schon immer den Eindruck, dass es noch einen Faktor gibt, der meines Wissens bislang noch nie untersucht wurde - der Benzinpreis. Ich hatte immer das Gefühl, dass in Zeiten hoher Benzinpreise die Mehrausgaben an der Tanke beim Kinobesuch wieder eingespart werden (irgendwo muss ja gespart werden). Also habe ich mir mal die Situation der letzten Jahre genauer angesehen:
Diese Statistik ist sicherlich weder die genaueste noch die wissenschaftlichste (vielleicht wäre so eine Statistik eine interessante Untersuchung für die FFA?), aber trotz anderer Faktoren, die eine Rolle spielen (WM, Wetter, Filme etc.) kann man folgendes feststellen: 1. Die Jahre mit den drei höchsten Benzinpreissteigerungen (2003, 2005, 2010) waren auch die Jahre mit den drei höchsten Besucherrückgängen! 2. Drei der vier Jahre mit den moderatesten Benzinpreissteigerungen (2004, 2008, 2009) hatten auch drei der vier aufgeführten Besucherzuwächse!
Ich persönlich glaube nicht, dass dies nur Zufall ist - und das bringt uns zum nächsten Jahr: Die Wirtschaft brummt und dies hat zur Folge, dass alle Wirtschaftskenner damit rechnen, dass die Benzinpreise 2011 weiter steigen werden - dies könnte durch einen schwächelnden Euro sogar noch verstärkt werden.
Keine Frage, das Filmangebot sieht 2011 auf dem Papier viel attraktiver aus als 2010. Wenn aber tatsächlich neue Höchststände bei den Benzinpreisen erreicht werden sollten, dann könnte sich dies auch (wieder) an den Kinokassen bemerkbar machen - ein Grund mehr also, die Eintrittspreise attraktiver zu gestalten!
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Komm wir gehen zum Verleih! |
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III Bleiben wir erst einmal bei den Eintrittspreisen...Es gibt ja nach wie vor Filmverleiher, die die Kinos drängen, die Eintrittspreise zu erhöhen. Oft sitzen in der Etage darunter die Kollegen der Videoabteilung, die zur gleichen Zeit die Preise für DVDs senken - ich weiß gar nicht, wie ich diese Schizophrenie näher beschreiben soll, also lass ich es lieber... Es soll ja auch Filmverleiher geben, die einen durchschnittlichen Mindestabrechnungsbetrag pro Besucher von den Kinos verlangen und so die Preise nach oben treiben - ich weiß zwar nicht, ob dies kartellrechtlich koscher ist, aber wie ich schon im Kapitel Kino erläutert habe, muss jede Preistreiberei augenblicklich gestoppt werden - es geht um das Überleben vieler Kinos!
IV Aber Hauptsorgenkind auf Eurer Seite ist jahrein, jahraus stets das gleiche: Termine, Termine, Termine... Mal gibt es eine Schwemme von 3D-Animationsfilmen im Wochentakt wie im letzten Oktober, mal gibt es zwei Monate lang jede Woche eine Beziehungskomödie wie demnächst im Januar/Februar, mal gibt es viel zu viele anspruchsvolle Filme und Oscar-Kandidaten im Gefolge der Berlinale. Jede Schwemme bedeutet automatisch einen Verlust an Besucherzahlen, da dem Kinogänger schlichtweg Zeit und/oder Geld fehlen, seine Favoriten zu sehen. Und dann gibt es wieder Zeiten - Stichwort WM - in denen so gut wie gar nichts startet...
V ...und das bringt mich zum nächsten Punkt. Ich fing in der Kinobranche an, als es noch ein alljährliches Phänomen gab: Das Sommerloch. Filmverleiher haben früher im Sommer so gut wie nichts gestartet, und da die Kinos nicht schließen konnten oder wollten, haben sie diese Zeit mit Reprisen (auch bekannt als Wiederaufführungen) überbrückt. Diese gingen auch recht ordentlich, vor allem James Bond-Filme, Spiel mir das Lied vom Tod (bis zum Video-Release Mitte der 80er Jahre jedes Jahr noch eine halbe Million Besucher), Vom Winde verweht, Doktor Schiwago, Papillon und viele andere Klassiker konnte man immer wieder auf der großen Leinwand bewundern - ich selbst habe davon seinerzeit reichlich Gebrauch gemacht.
Das Sommerloch ist gestopft, der Day&Date-Release macht's möglich, die US-Sommerblockbuster sind auch bei uns im Sommer zu sehen. Aber alle zwei Jahre gibt es einen fiesen, kleinen Kollegen, das WM- oder EM-Loch... Für vier Wochen geht so gut wie gar nichts mehr. Und da frage ich mich natürlich, ob die alten Rezepte nicht wieder hervorgeholt werden sollten. Wenn Ihr schon keine neuen Filme starten wollt, wie wäre es dann wenigstens mit schönen Wiederaufführungen? Im Zeitalter der digitalen Festplatten kann ein landesweiter Wiedereinsatz sicher nicht viel kosten, aber viele Filmfans wollen auch zu Fußball-Zeiten ins Kino gehen und ein berühmter Klassiker ist sicherlich attraktiver als das ohne Werbung gestartete C-Filmchen in der Spätschiene.
In den letzten zwölf Monaten gab es in anderen Ländern Wiederaufführungen von Toy Story, Die Schöne und das Biest oder Zurück in die Zukunft, die es sogar in die Top Ten geschafft haben. Keiner dieser Filme hatte eine WA bei uns (warum auch immer), aber die Ergebnisse dort haben gezeigt, dass es nach wie vor Interesse an Reprisen gibt. Wie wäre es also, wenn Ihr bei der nächsten EM 2012 mal ein bisschen rumexperimentiert und erst einmal ein oder zwei Klassiker probeweise startet? Wenn dabei 100.000-500.000 Besucher herausspringen, dann sind das 100.000-500.000 zusätzliche Besucher, die wir dringend gebrauchen können! Natürlich sind Filme wie Spiel mir das Lied vom Tod immer eine WA wert, aber es gibt ja auch Jahrestage, die man 2012 mit einer Reprise feiern kann, z.B. Der letzte Kaiser (25 Jahre), Blade Runner (30 Jahre), Der Pate (40 Jahre), Lawrence von Arabien (50 Jahre), Schneewittchen und die 7 Zwerge (75 Jahre) etc...
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Komm wir gehen zum Produzenten! |
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VI
Die drei Tabellen verdeutlichen schlicht, aber punktgenau die Misere der deutschen Filmproduktionen in 2010...
Gerade wenn man sich die erste Tabelle so ansieht, muss man sich echt fragen, wie ein 10 Millionen-Volk wie es die Tschechen sind eine so gesunde Filmindustrie hervorbringen konnte - immerhin 23 Wochen lang war eine einheimische Produktion an der Spitze der Charts! Frankreich war ja schon immer eine "Grande Nation" des Kinos, da verwundern die vielen einheimischen Hits eher nicht.
Es fällt auf, dass überwiegend Komödien (insbesondere auch RomComs und Beziehungskomödien) zu den Gewinnern in Frankreich und Tschechien (aber auch in anderen Ländern) zählen.
Sehen wir uns nun die Top Ten des deutschen Kinos 2010 etwas näher an:
Auch bei uns ist der erfolgreichste Film des Jahres eine Komödie (wie auch in zwanzig weiteren Jahren seit 1980).
Angesichts der Tatsache, dass das Publikum eindeutig Komödien sehen will, stellt sich bei mir natürlich die Frage, warum in Deutschland nicht mehr Komödien produziert werden? Sicher, es gab mit Jerry Cotton und Otto's Eleven in diesem Jahr schmerzhafte Komödienflops, aber bei diesen beiden Filmen kann man rückblickend wenigstens Mutmaßungen anstellen, ob sie tatsächlich in das Jahr 2010 gepasst haben. Die größten Blockbuster der letzten Jahrzehnte waren überwiegend Komödien und trotzdem habe ich das Gefühl, dass sie bei den Entscheidungsträgern verpönt sind.
Liegt es an Euch Produzenten? Oder an den Fördergremien - gibt es da vielleicht versteckte Quoten, dass für jede Komödie vier Dramen gefördert werden müssen? Oder an den TV-Anstalten, die mit ins Boot geholt werden müssen? Ich weiß es einfach nicht...
Fest steht, dass es zu wenig Komödien gibt und dies den deutschen Marktanteil drückt. Wo sind die Beziehungskomödien (a.k.a. RomComs) à la Männer, Der bewegte Mann oder Keinohrhasen? Wieso wird dieses Genre fast nur noch von Til Schweiger im Alleingang bedient?
Als Drehbuchautor muss man ja einiges einstecken können, schließlich werden 90 % der Drehbücher nie verfilmt. Aber wenn ich dann höre, dass eine von Pi-Jay und Meister Mim geschriebene Komödie nicht "ernst" genug ist, dann kann ich nur den Kopf schütteln... Überhaupt sind die Kommentare, die man von manchen Entscheidungsträgern zu hören bekommt, schon fast ein eigenes Buch wert... Ein von mir und Pi-Jay entwickelter Stoff fürs Fernsehen wurde abgelehnt, da unsere leichte Romanze eine vage Ähnlichkeit mit einem Fassbinder-Drama aus den frühen 70er Jahren hatte, das heute 99,9 % der TV-Zuschauer sowieso nicht kennen - wie gesagt, man kann sich nur an den Kopf fassen...
Was wir an Komödien inkl. RomComs zu wenig haben, haben wir an Dramen und Familienfilmen zu viel. Bitte nicht falsch verstehen, wir brauchen unsere deutschen Familienfilme, um die nächste Generation an Kinogängern zu "züchten" - aber doch nicht jede Woche eine neue Produktion...
Ich bewundere auch, dass Filme wie Wir sind die Nacht und Die kommenden Tage trotz des deutschen Schubladen-Denkens produziert werden konnten - ich hätte mir aber gewünscht, dass man nach Sicht des Trailers wenigstens hätte erahnen können, was für eine Geschichte diese Filme erzählen wollen (ein Hinweis auf das Genre wäre auch okay gewesen). Filme müssen klar definiert werden können. Wenn sich ein Pärchen an der Kinokasse nicht entscheiden kann, welchen Film es sehen will, dann muss die Story oder der Pitch in wenige Worte gefasst werden können. Manchmal reicht ein "Til Schweigers neue RomCom" oder ein "Kevin James und Adam Sandler machen auf schwul", ein "lesbische Vampire" war wohl eindeutig nicht genug...
Mit Eurer Weigerung, das Komödienklientel ausreichend zu bedienen, schadet Ihr Euch und unserer Branche - außerdem kommen ja auch manchmal gefühlvolle Komödienjuwelen wie Good Bye Lenin! heraus, mit denen Ihr nicht nur Blockbusterzahlen schreibt, sondern auch noch ein paar Preise einheimsen könnt...
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Lutz aus Hamburg Moin Mark,
Sven J. Hallo Mark, |
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MARK G.'s RUNDUMSCHLAG |
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