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Pi-Jays DER DEUTSCHE FILM - BAUT MEHR AUTOS! |
Leserbriefe & Kommentare |
Der deutsche Film ist tot. Sagen manche. Man könnte
auch sagen, er sei hirntot, was seinen Mangel an Kreativität vermutlich
besser erklären würde. Andere meinen, sein Zustand sei vielleicht nicht
sehr gut, jedoch einigermaßen stabil und bei weitem nicht so ernst, wie
böse Zungen gerne behaupten. Wie alles im Leben ist auch dies eine Frage der
Perspektive. Wer gut im Geschäft ist und sein Geld mit Publikums- oder
Kritikererfolgen verdient, dürfte mit der Lage an sich zufrieden sein.
Viele Kinobesucher und manche Kinomacher verziehen dagegen schmerzhaft
das Gesicht. Während die einen Jubelfeiern für den deutschen Film
ausrichten, bereiten die anderen gerade seine Beerdigung vor. Unbestreitbar, dass einige deutsche Filme in den
vergangenen Jahren international für Aufsehen gesorgt haben, sei es als
rein deutsche oder als Co-Produktion. Es gab Kritikererfolge wie
Das Leben der Anderen oder Das
weiße Band und sogar den einen oder anderen Kassenerfolg,
Das Parfüm zum Beispiel, wobei
es interessant ist, dass der erfolgreichste deutsche Film in den USA
ausgerechnet die esoterische Doku
Erinnerungen an die Zukunft von 1973 ist. Aber
Goodbye Lenin! lief zum
Beispiel auch im europäischen Ausland sehr gut. Am erfolgreichsten sind
hiesige Filme aber immer in Co-Produktion mit den USA oder
Großbritannien. Stellt sich die Frage: Muss Deutschland als ein
großes europäisches Land auch unbedingt eine große, international
erfolgreiche Filmindustrie wie seine Nachbarn Frankreich und
Großbritannien besitzen? Reicht es nicht aus, sich finanziell an
aufregenden Produktionen zu beteiligen und zu wissen, dass wir die
besseren Autos bauen? Wichtiger als das Ausland ist ja sowieso der
heimische Markt, und hier attestierte
Der Spiegel anlässlich der
Berichterstattung über die Hofer Filmtage 2012 dem deutschen Film, dass
es ihm gar nicht mal übel ginge. Qualitativ gesehen. Gelobt wurden u. a.
ein von Babel inspirierter
Episodenfilm, der von „Fernweh und Heimatlosigkeit“ handelt oder eine
„Katastrophenkomödie“ über Hartz-IV-Empfänger. Hoch gelobt wurde von der
Presse in diesem Jahr auch Barbara,
der mit knapp 400.000 Besuchern für einen Film der eher sperrigen
Berliner Schule sogar relativ erfolgreich war, aber bei der Vergabe des
Deutschen Filmpreises abgewatscht wurde. Vielleicht war er manchen ja zu
erfolgreich? Oder vielleicht war
Halt auf freier Strecke einfach der bessere Film. Darüber lässt sich trefflich streiten – sofern man
Filmkritiker oder leidenschaftlicher Cineast ist, denn die meisten
Deutschen haben weder den einen noch den anderen Streifen gesehen. Aber
Film wird in Deutschland ja gerne als Kunstform betrachtet und darf
ruhig – manche behaupten sogar: muss – elitär sein. Dabei ist der deutsche Film auf dem heimischen Markt
nicht erfolglos. Der Marktanteil lag in den letzten Jahren bei 15-25
Prozent, was im europäischen Vergleich gar nicht mal schlecht ist.
Abgesehen von Frankreich und Großbritannien stehen nur Italien, die
skandinavischen Länder und Tschechien besser da. Man könnte also durchaus sagen, dass alles gut ist
wie es ist. Es gibt ein, zwei qualitativ hochwertige Filme, die man
prämieren und auf die man im Falle eines internationalen Erfolges stolz
sein kann, und daneben gibt es ein paar populäre Hits, die für die
nötige Kasse sorgen. Leider gibt es aber inzwischen immer mehr Menschen
in der Branche, denen das nicht genug ist und die glauben, dass der
deutsche Film mehr leisten kann. Bereits im Februar 2011 fragte die
FAZ in ihrem Artikel „Deutscher Film: Das System“: „Warum gibt es
hier so viel Talent - und so wenige gute Filme?“ Beantwortet haben das
unter anderem Vertreter der Sender, Produzenten, aber auch bekannte
Schauspieler und Regisseure, die sich im Grunde gegenseitig die Schuld
zugeschoben haben: Die Drehbücher seien zu schlecht, Produzenten mutlos,
Regisseure einfallslos, und außerdem seien die Projekte chronisch
unterfinanziert. Als ein Hauptproblem wurde auch der Konsenszwang
genannt: Da ein Film von Produzenten, den TV-Sendern, der Förderung und
dem Verleih gemeinsam finanziert wird, will jeder auch ein Wörtchen
mitreden bei seiner Gestaltung – was zur Folge hat, dass man sich auf
den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt. Große künstlerische Entwürfe
kommen auf diese Weise natürlich nicht zustande. Ein Jahr darauf schrieb Dominik Graf sein
vieldiskutiertes „Plädoyer für Trivialitäten, Schocks und brüllendes
Gelächter“ in der Zeit, in dem
er beklagte, dass der Mainstream hierzulande kaum noch gefördert werde.
Eine Förderung erfolge nur noch nach thematischer Relevanz, „gängige
Staatsthemen“ seien dabei „Integrationskonflikte, Neofaschismus,
Finanzbranchen-Kritik, RAF-Nachwehen, DDR-Aufarbeitungen et cetera.“.
Schaut man sich die Entscheidungen der Fördergremien an, kann man nur
zustimmen. Eng mit dieser Problematik verbunden ist die typisch
deutsche Unterscheidung zwischen Unterhaltungs- und ernsthafter Kultur,
wobei der ersteren immer etwas Anrüchiges und Zweifelhaftes angedichtet
wird. Erfolg ist ebenfalls suspekt, denn große Kunst kann nur von einem
kleinen Kreis Auserwählter begriffen und goutiert werden. So oder so
ähnlich sind die landläufigen Vorstellungen. Es gibt also das bildungsbürgerliche, den Menschen
verbessernde Aufklärungskino auf der einen Seite, das einen politischen
Auftrag und gesellschaftliche Relevanz besitzt und auf Schillers
Forderung zurückgeht, dass das Theater zur moralischen,
gesellschaftspolitischen und ästhetischen Förderung des Menschen
beizutragen habe, und auf der anderen Seite das Populärkino, das seine
Wurzeln im Varieté und auf den Jahrmärkten hat. Das eine wird gerne mit
Kunst in Verbindung gebracht, das andere mit Unterhaltung. Das eine wird
üppig gefördert, das andere nur widerwillig unterstützt. Diese unterschiedliche
Behandlung bei der Förderung ist das größte Problem des deutschen Films
und der Grund für die zunehmende Unzufriedenheit in der Branche. Es gibt viele Produzenten, Regisseure, Schauspieler
und Drehbuchautoren, die Thriller, Action-, Fantasy- oder Horrorfilme
machen wollen und wissen, dass es dafür ein Publikum gibt. Doch
Fördergelder und Senderbeteiligungen gibt es nur für gesellschaftlich
relevante Filme, und man fragt sich, warum? Woher kommt diese Fixierung auf das „Relevanzkino“?
Einen Hinweis liefert Julia von Heinz in ihrem Antwort-Artikel auf
Dominik Grafs Beitrag, der ebenfalls in der
Zeit erschien: Weil die Filme
der 1950er und frühen 1960er Jahre revisionistisch waren und ihre Macher
sich weigerten, der neuen, jungen Generation Platz für ihre Visionen
einzuräumen, wandte diese sich dem Medium Fernsehen zu. In der Folge
entstanden anspruchsvolle, bildungsbürgerliche Fernsehfilme. Im Laufe der Zeit geriet das Kino immer stärker in
die Abhängigkeit vom Fernsehen, und heute ist ohne Beteiligung eines
TV-Senders keine Finanzierung eines größeren Kinofilms mehr möglich.
Nirgendwo in der Welt sind Kino und Fernsehen so eng miteinander
verknüpft wie in Deutschland. Redakteure sitzen zum Beispiel in allen
wichtigen Fördergremien und entscheiden maßgeblich mit, was produziert
wird und was nicht. Regisseur und Produzent Thomas Frickel schrieb dazu
im Februar 2011 in der FAZ:
„Es gibt kaum eine Förderung, in der die Sender aus ihrer finanziellen
Beteiligung nicht erhebliche inhaltliche Ansprüche ableiten würden. Es
gibt Länderförderungen, aus denen die Sender für ihre eigenen Projekte
mehr Geld herausholen, als sie einzahlen. Und es gibt Länderförderungen,
in denen Tochterfirmen öffentlich-rechtlicher Sender im Wettbewerb um
die Mittel unabhängige Mitbewerber ausstechen. Kaum ein Fördergremium
kommt ohne Fernsehvertreter aus, in kaum einer Förderinstitution hat ein
unabhängiges Filmprojekt ohne sicheren Fernsehsendeplatz eine Chance.“ Zu behaupten, das Fernsehen habe das Kino praktisch
in Geiselhaft genommen und entscheide über sein Schicksal, klingt etwas
hart, vielleicht sollte man besser sagen: Wenn das Fernsehen früher der
rotzige, kleine Neffe der eleganten Tante Kino war, hat er nun die
Vormundschaft über die alte Dame übernommen. Dabei ist eine Beteiligung an einem Kinofilm für
einen TV-Sender durchaus von Vorteil: Erfolgreiche Kinofilme sind
nämlich auch erfolgreich bei ihrer Ausstrahlung im Fernsehen. Hits wie
Der Schuh des Manitu oder
Keinohrhasen erzielen gute Quoten, doch populäre Stoffe findet man
eher bei den privatwirtschaftlich geführten Sendeanstalten. Die
Vertreter von ARD und ZDF machen sich in den Gremien zwar stark für die
„relevanten“ und „wichtigen“ deutschen Filme, nur laufen diese dann
meist im Spätprogramm oder auf einem digitalen Nischenkanal. Die
öffentlich-rechtlichen Sender tun also sehr viel für die Kunst – aber
nur solange die Filme ihnen nicht die Quoten verderben. So bleibt das Fernsehen zwar im Kino seiner Tradition
treu und fördert und fordert Stoffe, die gesellschaftliche Relevanz
besitzen, zeigt uns im Hauptprogramm aber gerne seichte Melodramen und
Schmonzetten. Ironischerweise sind sie damit thematisch manchmal gar
nicht mal so weit von den Förstern der Fünfzigerjahre entfernt… Wer zahlt, bestimmt, sagt der Volksmund. Wenn die
Fernsehsender Filme co-produzieren, haben sie auch das Recht, deren
Inhalte mitzubestimmen. Tatsächlich ist es allerdings so, dass der
Finanzierungsanteil der Sender an Kinoproduktionen von Jahr zu Jahr
schrumpft. Ihr Einfluss in den Fördergremien nimmt jedoch nicht ab, und
da sie außerdem in der Lage sind, durch die Verweigerung einer
Beteiligung Projekte zu verhindern, bestimmen sie weiterhin maßgeblich
das deutsche Kinoprogramm. Die Leidtragenden sind die Kinobetreiber, die zwar
die FFA-Abgabe bezahlen müssen, die davon geförderten Filme jedoch nicht
zeigen können, weil sie nicht in ihr Programm passen, und jene Produzenten, die gerne
andere Stoffe umsetzen würden, aber an den Ansprüchen der Förderungen
scheitern bzw. keinen Fernsehsender finden, der sie unterstützt, und
nicht zuletzt natürlich die Zuschauer, die nicht nur Relevanzkino sehen
wollen. Apropos Zuschauer. Laut der Studie „Film- und
Fernsehproduktion in Deutschland 2009 und 2010“ vom Dortmunder
Medienforschungsinstitut Formatt wurden in beiden Jahren jeweils 270
Kinofilme hergestellt. Das ist eine stolze Zahl. Eine andere Frage ist,
wie viele deutsche Filme der Durchschnittszuschauer gesehen hat. Von diesen 270 Filmen erreichten in 2010 nämlich nur
36 mehr als 100.000 Besucher (exakt 100.404 Zuschauer waren für Platz
167 in der Rangliste jenes Jahres nötig). Fast 87 Prozent der
Filme erreichten also nicht ihr Publikum! In jedem anderen
subventionierten Bereich würden bei solchen Quoten sämtliche
Alarmglocken schrillen, „aber der Deutsche hat immer zuerst gefragt, was etwas
für die Kultur wert sei, und erst danach, was es koste“,
schrieb schon Yvan Goll in seinem Roman
Sodom Berlin von 1930. Ist es daher verwunderlich, wenn Kinoketten oder der
Medienunternehmer Herbert Kloiber die FFA-Abgabe kritisch hinterfragen
und zu Reformen anmahnen? Schaut man sich die Charts 2012 an, wird die traurige
Lage des deutschen Films erst richtig ersichtlich: In den Top 20 gibt es
genau einen deutschen Film, Türkisch für
Anfänger – das ist schon nicht mehr nur enttäuschend, sondern
blamabel. Ein genauerer Blick auf die Produktionen mit über
100.000 Zuschauern zeigt, dass der deutsche Film nahezu ausschließlich
aus Kinderfilmen, Komödien, Dokumentationen, dem neuen (meist
bayrischen) „Heimatfilm“ und der anspruchsvollen Literatur- oder
Bestsellerverfilmung besteht – mehr scheint es in diesem Land nicht zu
geben. Ein abwechslungsreiches Genrekino wie man es aus anderen Ländern
kennt, existiert nicht. Immerhin haben es die Produzenten von
Schutzengel und Die vierte
Macht versucht, was man ihnen hoch anrechnen muss. Dabei liebt das Publikum Genrefilme, es bekommt sie
nur nicht made in Germany zu sehen, höchstens noch als Co-Produktion wie
die Resident Evil-Reihe. Wo
aber bleibt ein Film wie Das
fünfte Element aus hiesiger Produktion?
The Others und
Das Waisenhaus waren
erfolgreiche europäische Horrorfilme, warum kann es so etwas nicht bei
uns geben? Übermäßig teuer waren diese Filme nicht. Die Fernsehsender sind sicherlich das Haupthindernis
des deutschen Genrekinos, aber sie sind nicht die einzigen Schuldigen.
Natürlich gibt es auch schlechte Bücher, die ganz bestimmt nicht besser
werden, wenn neben dem Produzenten auch noch ein Verleih und ein Sender
mit hineinreden. Viele Autoren und Produzenten machen sich aber gar
nicht erst die Mühe, bestimmte Genrestoffe zu entwickeln, weil sie genau
wissen, dass sie diese ohnehin nie finanziert bekommen. Weil die
Produzenten immer
auf die Förderungen schielen, wird nicht der beste Film anvisiert, den
man machen kann, sondern der Stoff, von dem man glaubt, dass er am
ehesten gefördert wird. Leider gibt es keine unabhängige, deutsche
Filmproduktion. Filme sind teuer, der Markt überschaubar, und um einen
durchschnittlich teuren Film herzustellen, der am Ende (in der
Kinoauswertung) auch noch Gewinn
abwirft, müsste er schon ein Hit mit mindestens 1,5 Millionen Besuchern
werden. In anderen Ländern finanziert ein Hit fünf Flops, und das könnte
hierzulande auch so sein, wenn es Produzenten gäbe, die mehr auf Risiko
setzen würden. Produzenten vom Schlage eines Bernd Eichingers. Was müsste sich alles ändern, um das deutsche Kino
vielfältiger, aufregender und vor allem interessanter für den
Durchschnittszuschauer zu machen? Anspruchsvolle Filme werden zuhauf
gefördert und produziert – es wird, und da hat Dominik Graf recht,
höchste Zeit, endlich eine Lanze für den Mainstream zu brechen. Deutschland blickt auf eine lange Tradition des
Genrekinos zurück: Die Edgar-Wallace-Thriller, Abenteuerfilme à la
Winnetou, Horrorfilme wie
Nosferatu und sogar Science-Fiction-Filme waren beim Publikum früher
sehr erfolgreich. Dahin müssen wir zurückkehren, dazu sollte man sich
aber auch dieser Tradition bewusst sein. Warum laufen im Fernsehen zum
Beispiel keine alten Filme mehr, außer
Die Feuerzangenbowle und die
Sissi-Filme in gefühlter
Endlosschleife? Vielleicht wäre auch schon viel gewonnen, die
Fernsehsender zu zwingen, alle Filme, an denen sie sich finanziell
beteiligen, um 20:15 Uhr zu zeigen (natürlich sofern es der Jugendschutz
zulässt). Besonders die öffentlich-rechtlichen Anstalten würden dann
eher in Filme investieren, die auch ihr Publikum erreichen. Nebenbei bemerkt: Warum schrumpft eigentlich der
Anteil der Senderbeteiligungen und werden die Budgets für Fernsehfilme
immer weiter beschnitten, während für Sportrechte immer höhere
Summen ausgegeben werden? Vielleicht könnte man darüber nachdenken, die
Höhe der Ausgaben für Filme, Serien und Dokus an die für Sportereignisse
zu koppeln? Warum wird Erfolg hierzulande nicht wirklich belohnt?
Ein Regisseur, der einen erfolgreichen Film gemacht hat, bekommt nicht
automatisch für sein nächstes Projekt eine Förderung, sondern muss sich
immer wieder durch die Instanzen quälen und sich jedes Mal erneut
beweisen. In anderen Ländern rollt man den kreativsten Kräften den roten
Teppich aus, bei uns ist selbst der begabteste Regisseur nur so gefragt
wie sein nächstes – möglichst gesellschaftlich relevantes – Projekt.
Kein Wunder, dass viele unserer talentierten Regisseure nach Hollywood
gehen. Eine Möglichkeit wäre, die Macht der TV-Sender in den
Förderungen zu beschneiden, sie zu zwingen, ihre Plätze zu räumen, aber
das ist vermutlich ohne entsprechende Gesetze kaum möglich und
verspricht nicht zwangsläufig Erfolg. Eine zweite Möglichkeit wäre, die
Förderung umzubauen. Kultur ist laut Grundgesetz Ländersache. Warum
belässt man die Länderförderungen nicht wie sie sind, so dass sie
weiterhin das Relevanzkino fördern, und baut stattdessen die FFA um? Die FFA wird maßgeblich von den Kinobetreibern
finanziert. Warum sollten mit diesem Geld dann nicht auch jene Filme
gefördert werden, die den Betreibern zugute kommen? Filme, die dem
Publikum gefallen und der FFA dadurch weitere Gelder bescheren. Die
Statistiken beweisen, dass in jenen Jahren, in denen der Erfolg des
deutschen Films besonders groß war, im Kino auch ein Besucherzuwachs
generiert wurde. Mehr Zuschauer für deutsche Filme bedeutet also mehr
Zuschauer insgesamt. Wenn man sich mit Brancheninsidern und Filmfans
unterhält, stellt man immer wieder fest, wie groß die Unzufriedenheit
mit dem deutschen Film ist. Die Macher beklagen die Beschränkungen,
denen sie unterliegen, die Zuschauer die schlechte Qualität der Filme
und die Einseitigkeit ihrer Themen. Es wird also höchste Zeit, etwas an
dem System selbst zu ändern. Solange Unterhaltung in bestimmten Kreisen
hierzulande ein Schimpfwort ist, haben wir ein
grundlegendes Problem. Wir sollten endlich aufhören, abfällig über Relevanzkino
und Unterhaltungskino zu sprechen, als wäre das eine nur für eine
versnobte Minderheit und das andere irgendwie anrüchig. Der Festivalfilm
und der Publikumsfilm sind keine natürlichen Gegner, sondern die Seiten
derselben Medaille. Natürlich wird es nicht leicht sein, eine eindeutige
Trennlinie zwischen beiden Bereichen zu ziehen, genau einzuschätzen, was
Erfolg versprechen könnte und was nicht. Daher müssten vor allem die
Vielfalt und das Genrekino gefördert werden, mit dem Ziel, die deutsche
Kinolandschaft insgesamt zu bereichern. Eine Reform bedeutet auch nicht,
den Festivalfilm abzuschaffen, es geht vielmehr darum, ein ausgewogenes
Verhältnis in der Förderung zu schaffen, um ein besseres, aufregenderes
und vielschichtigeres deutsches Kino zu schaffen. Im Augenblick spiegelt die gängige Förderpolitik eine
kaum verhohlene Verachtung des durchschnittlichen Publikumsgeschmacks
wider, wobei die Komödie den undankbaren Part des Schoßhunds der
Filmkunst einnimmt. Aber für wen wird der deutsche Film gemacht, wenn
nicht für das Publikum? 87 Prozent aller geförderten Filme erreichen
nicht ihr Publikum, warum kann man das Geld, das dafür aufgewendet wird,
nicht zur Hälfte in Projekte stecken, die publikumsfreundlicher sind?
Dann blieben immer noch eine Menge Filme über, die die gewünschten
relevanten Kriterien erfüllen. Allein, es fehlt am nötigen Willen. Die Politiker
sehen keinen Handlungsbedarf, weil ihnen die Situation der Branche
fremder ist als das Leben eines Hartz-IV-Empfängers. Die Fernsehsender
haben kein Interesse daran, dass
sich etwas am status quo ändert, weil sie sonst an Einfluss verlieren
würden. Die großen Verleiher
machen in erster Linie ihr Geschäft mit ausländischer Lizenzware, sie
sind nicht unbedingt darauf angewiesen, dass der deutsche Film
prosperiert. Bleiben nur die Kinobetreiber und Produzenten, die
Schauspieler, Regisseure und Drehbuchautoren – und die Zuschauer. Eine
groß angelegte Kampagne könnte vielleicht etwas ändern, ein Aufruf in
allen Kinos, in den Verbänden, im Internet, um Unterschriften für eine
Änderung des Filmförderungsgesetzes zu sammeln, die zu einer stärkeren
Förderung des Publikumsfilms führt. Eine Revolution von unten
gewissermaßen. Aber irgendwie hat man das Gefühl, das die meisten
bereits aufgegeben und sich mit dem miserablen Zustand des deutschen
Films abgefunden haben. Und immerhin bauen wir ja tolle Autos…
Pi-Jay
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Leserbriefe & Kommentare |
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Mark G. |
Kann Pi-Jay da nur zustimmen. Besonders brillant ist die Idee, die
Senderbeteiligung (gesetzlich) an eine Ausstrahlung um 20.15 Uhr zu
knüpfen - man dürfte wohl Bauklötze staunen, wie publikumsfreundlich die
deutschen Produktionen quasi über Nacht wären... Bei der Förderung würde ich sogar einen Schritt weiter gehen. Ich würde Mindestziele vorgeben, soll heißen: Alle geförderten Mainstream-Filme eines Jahres müssen eine Mindestbesucherzahl von 30 Mio. Besucher erreichen und mindestens zehn geförderte Arthouse-Filme müssen es entweder in das Hauptprogramm der A-Festivals geschafft haben oder Nominierungen für den deutschen oder europäischen Filmpreis einheimsen. Werden diese Vorgaben nicht erreicht, dann müssen alle Mitglieder der Fördergremien ausgetauscht werden. Nichts ist tödlicher für die Kreativität, wenn Misserfolg keine Folgen für die Verantwortlichen hat. Außerdem gefällt mir Pi-Jays Idee, den Kino-Etat der TV-Sender an den Sport-Etat zu koppeln. Die TV-Rechte der Mega-Sport-Events werden von Jahr zu Jahr teurer und ARD/ZDF werfen mit Summen um sich, als ob es kein Morgen gäbe. Warum z. B. kaufen ARD & ZDF gemeinsam die Rechte zur Fußball WM/EM (oder Olympiade), nur um dann jeder für sich Millionen von Euro für ein eigenes WM-Studio vor Ort auszugeben, anstatt unsere GEZ-Gebühren zu sparen und ein Studio für beide Sender zu bauen? |
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