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LIEBE KINOBRANCHE!
8. August 2005 Liebe Kinobranche,
in den letzten Wochen hat sich die Stimmung ein wenig gebessert - schließlich gibt es endlich wieder ordentliche Besucherzahlen (auch wenn sie statistisch gesehen noch immer unter dem Vorjahr liegen). Zudem hat die Kinowelt ein Leihmietenmodell vorgestellt, das - wenn es von allen Verleihern übernommen werden würde - ein Überleben der jetzigen Kinostruktur sichern würde und sogar den Weg freimachen könnte für neue Investitionen (vielleicht auch in digitale Projektion, hier gab es ja auch die längst überfällige System-Einigung).
Dennoch will ich wieder ein paar Punkte ansprechen, die mir zur Zeit am Herzen liegen:
1. Ich finde, die Kinobranche tut viel zu wenig, um von der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen zu werden. Ich halte es nach wie vor für einen großen Fehler, dass das Kinofest nach nur zwei Versuchen wieder eingestellt wurde. Das Kinofest mit seinen halbierten Eintrittspreisen an einem Wochenende im ganzen Land für alle Filme ist ein äußerst simpler Weg
- das Kino und seinen Mythos zu feiern - neue Besucherschichten zu erschließen - treue Besucher mit halbierten Preisen zu belohnen - B-Filme und C-Filme (nicht qualitativ, sondern im Box Office-Sinne) zu fördern - und natürlich für positive Schlagzeilen zu sorgen.
Nächstes Jahr während der Fußballweltmeisterschaft wäre der ideale Zeitpunkt, diesem Megaevent etwas entgegen zu setzen. Also los, beginnt mit den Planungen!!!
2. Raubkopierer sind Verbrecher. Ich stehe einhundertprozentig hinter dieser Aussage. Jeder, der meine Artikel diesbezüglich kennt, weiß, dass ich ein Hardliner in diesem Punkt bin. Aber die dazugehörige Kampagne muss schleunigst weg, zumindest im Kino. Zum einen dürfte sich inzwischen in der Republik herumgesprochen haben, dass Raubkopieren illegal ist. Diesen Zweck hat die Kampagne sicherlich gut erfüllt. Aber bei jeder Vorführung dieses Spots in den Kinos wird das Publikum beleidigt und zum potenziellen Verbrecher abgestempelt, obwohl es ja gerade nicht den Weg des Raubkopierens gegangen ist, sondern gutes Geld in ein Ticket gesteckt hat. Deswegen raus mit diesen (außerdem viel zu alten) Spots aus den Kinos, in den Printmedien und im Fernsehen könnt Ihr die Kampagne ja weiterführen.
Stattdessen muss wieder eine Kino ist das Größte-Kampagne her. Diese ist positiv besetzt, zeigt die Vorzüge des Kinos gegenüber den anderen Filmsichtungsmöglichkeiten und bestätigt beim Besucher, die richtige Entscheidung beim Kauf eines Tickets getroffen zu haben.
3. Bei der Bekämpfung der Piraterie geht einiges schief. Letztes Jahr erhielt ich eine Mail, die für eine Website warb, auf der man sich gestohlene Filme herunterladen konnte. Pflichtbewusst wie ich bin, habe ich diese Mail sofort an die GVU weitergeleitet - und nie eine Antwort erhalten. Ich habe keine Antwort erhalten, ob meine Mail angekommen ist, ich habe keine Antwort erhalten, ob der Sache nachgegangen wird und ich habe keine Antwort erhalten, ob meine Meldung zu einer erfolgreichen Schließung dieser Website geführt hat. Ein treuer Leser von InsideKino hat letzten Monat das gleiche getan und eine Website sowohl an die GVU als auch an die HART ABER GERECHT-Adresse "verpetzt". Auch er hat keinerlei Reaktion erhalten, im Gegenteil, fünf Wochen später ist diese Website immer noch aktiv und bietet z. B. Der verbotene Schlüssel/The Skeleton Key noch vor dem US-Start und Deutschland-Start an.
Wenn die Filmindustrie um Mithilfe bei der Bekämpfung der Piraterie bittet, dann sollte sie wenigstens den Mitkämpfern Respekt entgegenbringen und ihnen ein Mindestmaß an Achtung in Form eines automatisierten Antwortmails entgegenbringen - mehr wäre natürlich noch besser. Außerdem erwarte ich natürlich, dass Erfolge schnell sichtbar sind. Ansonsten muss man sich beim nächsten Mal fragen, ob es noch die Mühe wert ist, sich einzubringen.
4. (Ich weiß, dieser Punkt ist langweilig, da ich ihn jedes Mal aufführe) Liebe Filmverleiher, gebt endlich die Besucher-Charts frei! Die wöchentliche Top Ten-Liste ist billigste PR, die Ihr überhaupt nicht nutzt. Selbst diese Website, die sich ja hauptsächlich mit den Erfolgsaussichten von Filmen befasst, muss auf die aktuellen Deutschland-Charts verzichten, da der Lizenzinhaber 110 Euro (!) pro Woche (!) dafür verlangt. Und so geht es natürlich so gut wie allen Film-Websites und Tageszeitungen. Deswegen wird es höchste Zeit, dass Ihr dieses für Euch kostenlose Marketing-Tool freigebt, zumal der Werbeeffekt sicherlich mehr wert ist, als die Lizenzeinnahmen, die dem Verleiherverband zukommen. Was in anderen Ländern möglich ist, muss doch auch hierzulande drin sein...
Aus Liebe zum Kino,
Euer Mark G.
P.S. Wie immer ist jede Mail zum Thema willkommen und wird auf dieser Seite veröffentlicht. |
Ralf L:
Hi Mark G.,
ein paar Gedanken zu Deinem neuen "offenen Brief":
1. Ich stimme zu, allerdings sollten dann auch wirklich ALLE Kinos in
Deutschland mitmachen! In meiner Umgebung beispielsweise konnte ich damals
keines finden, das sich dieser Aktion angeschlossen hatte (vielleicht ist das ja
auch ein Grund dafür, daß das "Kinofest" so schnell wieder eingestellt wurde).
2. Ich bin ebenfalls strikt gegen Raubkopierer, ich kaufe sogar noch immer alle
Musik-CDs anstatt sie zu brennen ...
Und auch bezüglich der Anti-Raubkopierer-Spots im Kino bin ich grundsätzlich
Deiner Meinung. Meine Erfahrung mit den Dingern ist: Sie werden vom Publikum
entweder ignoriert oder es wird sogar darüber gelacht (vor allem bei denjenigen,
die zusätzlich "vorgelesen" werden).
Außerdem bin ich der Meinung, daß diese Spots falsch an das Thema herangehen. Es
wird primär betont, daß Raubkopieren illegal ist. Dazu gibt es noch ein paar
Allerweltsfloskeln, warum das so ist (schadet der Kinoindustrie - allgemeine
Reaktion des Publikums: "Ohhhhh, arme Kinoindustrie!" -, höhere Preise).
Ich kann mich aber an keinen Spot erinnern, der beispielsweise darlegt - wie ich
es sinngemäß kürzlich in irgendeinem Interview mit einem Filmproduzenten gelesen
habe -, daß der Einnahmeverlust durch Raubkopien bei einem Blockbuster wie
"Fluch der Karibik" dafür sorgt, daß drei oder vier Filme von der Sorte "Garden
State", "Reine Chefsache" oder "Final Call" (also: klein und gut) nicht gedreht
werden können (ich weiß nicht, ob das übertrieben ist, aber selbst wenn: es
ändert ja nichts an der Aussage).
Meiner Erfahrung nach denken die meisten Raubkopierer einfach nicht so weit
(einige argumentieren ja sogar, sie würden implizit die "kleinen" Filme
unterstützen durch ihre Raubkopiererei ...).
Natürlich weiß ich nicht, ob eine dergestalte Aufklärungskampagne wirklich etwas
nutzen würde (die meisten Menschen denken nunmal leider immer zuerst an sich
selbst und ihren Geldbeutel), aber IMHO wäre sie jedenfalls sinnvoller als die
momentanen Spots.
Zu 3. und 4. bleibt mir nichts hinzuzufügen (außer, daß ich über die
geschilderten Beispiel im dritten Punkt ziemlich schockiert bin). Volle
Zustimmung! Über die Sache mit den Kinocharts rege ich mich sowieso schon seit
Jahren auf ...
So long ...
Nochetriste:
He Mark,
habe gerade Deinen Artikel gelesen und hoffe wirklich das endlich mal ein Ruck
durch diese lange lethargische Branche geht.
Gebe Dir auch in allen Punkten Recht, denn da gibts nix weiter zu sagen ...
Weiterhin wünsche ich Dir das mal ein richtiges Feedback seitens der
Kinomenschen kommt, denn irgendwie hab ich den Eindruck als ob das nicht ganz
bis zu denen vordringt. Oder lieg ich da falsch?
Frühmorgendliche Grüsse
Wolfgang D:
Hi Mark,
ich wollt's nur mal wieder los werden: www.??? (Adresse
von Mark G. entfernt) hat aktuell die deutsche Fassung von "Die Reise der
Pinguine" (Bild in DVD-Rip Qualität!!!) im Angebot. Nicht nur, dass Piraten
keinen Cent für den Film zahlen (amüsanterweise aber gleichzeitig über dessen
Einspielergebnis jubeln), sie sehen den Film auch noch fast zwei Monate vor den
braven Kinogängern. Ich weiß, es ist immer das gleiche Geschimpfe, wollt's
dennoch gesagt haben....die GVU, oder wen auch immer sonst, interessiert es ja
offenbar nicht. Wenn die ihre "scheiss drauf"-Politik so konsequent fortgesetzen,
zahlt bald niemand mit Internetzugang mehr 8 Euro für eine Kinokarte...
Ciao
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