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LIEBE KINOBRANCHE!

Leserbriefe

 

5. März 2007

Liebe Kinobranche,

 

wer mich und meine Website kennt, der weiß, dass ich schon seit Jahren beklage, dass unsere eigentliche Hauptsaison, die von September bis Ostern geht, immer weiter ausblutet. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass die US-Blockbuster, die früher im September und Oktober gestartet wurden, nun zeitgleich mit dem US-Start im Mai, Juni und Juli ins Rennen geschickt werden.

Im Prinzip ist daran auch nichts auszusetzen, schließlich brauchen die Kinos das ganze Jahr über Hits und die deutschen Produzenten sind in den letzten Jahren erfolgreich in die Bresche gesprungen und haben ihre größten Produktionen im September und Oktober gestartet (man denke da nur einmal an Das Parfum, Der Untergang, Das Wunder von Bern oder die 7 Zwerge-Filme).

Die zweitwichtigste US-Saison ist die Holiday-Season im November und Dezember und auch hier sehen wir hierzulande eine fast hundertprozentige Übernahme der amerikanischen Starttermine für die Blockbuster. Und genau hier beginnt das Problem:

 

Da die Thanksgiving- und Weihnachts-Blockbuster nicht mehr im Januar und Februar starten, versinkt das erste Quartal des Jahres in der Bedeutungslosigkeit. Seit nun mehr sieben Jahren in Folge gehen die Besucherzahlen zurück - und wir sprechen hier nicht von Peanuts. Gingen 2001 im ersten Quartal noch 46.164.623 Besucher in die Kinos, waren es letztes Jahr nur noch 33.186.941 - ein Rückgang von knapp 13 Mio. Besucher oder 28 %! Das letzte Jahr lag sogar 15 % unter dem langjährigen Mittel (1994-2006) von 39.148.275 Besucher. Ein Blick auf die Grafik spricht Bände:

 

Diese Grafik beschönigt die Dinge sogar noch, schließlich darf man nicht vergessen, dass innerhalb eines Jahrzehnts tausend neugebaute Kinosäle hinzugekommen sind. Tatsächlich lagen die Quartals-Besucherzahlen pro Kinosaal letztes Jahr bei 6.874, 36 % unter dem Spitzenjahr 1998 (im Erhebungszeitraum) mit 10.688 Besuchern, aber auch deutlich (22 %) unter dem langjährigen Mittel (8.763). Seht selbst:

 

Noch einmal: Wir reden hier von einer selbstgemachten Saure-Gurken-Zeit, schließlich gehen die Deutschen gerne ins Kino, wenn die Tage kurz und die Nächte lang sind und das Wetter noch nicht in den Biergarten lockt. Und das Schlimmste: Der Spuk ist noch lange nicht vorbei! Wenn ich mir die Zahlen der ersten neun Wochen des aktuellen Jahres so ansehe, dann komme ich auf ein weiteres Minus von 6 % gegenüber dem Vorjahr.

Zugegeben, die Starts der nächsten vier Wochen (Mitten ins Herz, Norbit, Neues vom Wixxer und Mr. Bean macht Ferien) könnten das Ruder eventuell noch herumreißen.

 

Dennoch gilt: Das letzte Wochenende (das neunte) war mit einer Besucherzahl von 798.956 Besuchern für die Top Ten-Filme eine einzige Katastrophe, man muss schon fünfzehn Jahre (!) zurückgehen, um ähnlich schlechte Besucherzahlen an einem Wochenende im ersten Quartal zu finden:

Am neunten Wochenende des Jahres 1992 hatten die Top Ten-Filme 793.079 Besucher bei 2.149 eingesetzten Kopien (369 Kopienschnitt). Dieses Jahr waren die Top Ten-Filme in 3.464 Kinos zu sehen (231 Kinoschnitt). Selbst am Finalwochenende der Fußball-WM letztes Jahr gab es mehr Besucher im Kino (865.591 Besucher Top Ten)!

 

Überhaupt kam es von 1994 bis 2005, also zwölf Jahre lang, nie vor, dass die Top Ten-Filme an einem x-beliebigen Wochenende im ersten Quartal weniger als eine Million Besucher hatten! Die Millionenmarke wurde erstmals letztes Jahr knapp unterschritten (am achten Wochenende 2006 mit 989.223 Besuchern), danach vor fünf Wochen, vor zwei Wochen und nun zum dritten Mal dieses Jahr mit den Horrorzahlen dieses Wochenendes...

 

 

Natürlich kann ich lamentieren so viel ich will, dies löst das Problem natürlich nicht. Aber es gibt drei Punkte, die die Branche tun kann, um den Trend wieder umzukehren, bevor das erste Quartal zum selbsterfüllenden-Prophezeiungs-Quartal wird (zu der Zeit ist das Geschäft sowieso schlecht, also starte ich die erfolgversprechenden Filme lieber zu einem anderen Zeitpunkt). Wir sind wirklich an dem Punkt angekommen, an dem Wachstum eigentlich nur noch in diesem Zeitraum möglich ist (die Sommerzahlen sind ja in den letzten Jahren recht gut geworden).

 

1.

Liebe deutsche Produzenten, startet Eure Erfolgsfilme nicht nur im Herbst!

Erinnert Euch an Hits wie Good Bye Lenin (6,6 Mio. Besucher, Februar 2003) oder die Goldene Leinwand-Troika von 1997 mit Knockin' On Heaven's Door (3,6 Mio., Februar), Rossini (3,3 Mio., Januar) und Kleines Arschloch (3,1 Mio., März). Ihr müsst die Schwäche der angebotenen US-Filme ausnutzen und mit Euren Blockbustern für Wachstum sorgen.

Man muss sich nur die Charts unserer europäischen Nachbarn mal ansehen, da wird genau dies praktiziert:

 

In Tschechien ist Jiří Menzels Überblockbuster Obsluhoval jsem anglického krále seit sieben Wochen auf Platz 1 der Charts.

In Dänemark gab es in den ersten acht Wochen sechsmal einen dänischen Spitzenreiter der Charts.

In Italien sorgen die beiden Sequels Handbuch der Liebe 2 und Notte prima degli esami - oggi für noch bessere Ergebnisse als bei den Originalen und sie schlagen die weltweiten Blockbuster Casino Royale und Nachts im Museum um Längen.

In Polen gibt es seit sechs Wochen nur polnische Filme an der Spitze der Charts.

In Großbritannien ist die britische Produktion Hot Fuzz nach nur zehn Tagen zum erfolgreichsten Film des Jahres geworden.

In Frankreich legte T4xi vor zwei Wochen eine Startwoche mit 2,0 Mio. Besuchern hin - und zwar gegen eine weitere französische Spitzenproduktion! La Vie en Rose hatte zum gleichen Zeitpunkt eine Startwoche mit 1,6 Mio. Besuchern!

 

Sind solche Ergebnisse bei uns auch möglich? Natürlich, 2001 hat gezeigt, wie viel Potenzial im ersten Quartal steckt (46 Mio. Besucher 2001 statt 33 Mio. Besucher im letzten Jahr), und 2001 hat auch demonstriert, was innerhalb einer Woche möglich ist: Am 15. Februar 2001 legte Was Frauen wollen eine Startwoche mit 1,7 Mio. Besuchern hin, während Hannibal zur gleichen Zeit 1,4 Mio. Besucher in die Kinos lockte. Warum sollte dies nicht wieder zu schaffen sein?

 

Übrigens gilt dieser Punkt nicht nur den deutschen Produktionen. Warum sollen wir auf einen britischen Hitfilm wie Hot Fuzz, dessen Verleih schon längst feststeht, bis zum Juni warten? Der deutsche und der europäische Film könnten Hand in Hand die jahreszeitlichen Schwächen des US-Films ausgleichen...

 

2.

Liebe Filmverleiher, unterwerft Euch nicht dem Diktat der Berlinale und der Oscar-Nominierungen!

Was macht es für einen Sinn, alle Filme, die ein anspruchsvolleres Publikum ansprechen, innerhalb kürzester Zeit zu starten? Ich erinnere nur einmal an das vorletzte Wochenende, da starteten drei Filme mit insgesamt 14 Oscar-Nominierungen (Pans Labyrinth, Tagebuch eines Skandals und Letters from Iwo Jima) und außerdem La Vie en Rose, der Eröffnungsfilm der Berlinale, sowie Bordertown, der ebenfalls bei der Berlinale Premiere feierte. Wer soll sich denn das alles ansehen? Eine bessere Verteilung wäre geschäftlich sicherlich sinnvoller gewesen, diese Filme konkurrieren nicht nur um das gleiche Publikum, sondern auch noch zum großen Teil um die gleichen Leinwände...

 

3.

Liebe Filmverleiher, seid nicht so Ostern-fixiert!

Sicher, die Osterferien sind eine tolle Kinozeit, vor allem wenn das Wetter kinofreundlich ist. Aber müsst Ihr wirklich die Wochen vor und zu Ostern so voll packen und Eure erfolgversprechendsten Filme des Quartals wieder alle gegeneinander starten lassen? Wieder verschenkt Ihr Potenzial, schließlich können sich die Kinogänger trotz Ferien nicht alle Highlights ansehen (und/oder leisten) und Kinos in kleineren Orten können nicht alle Highlights zeigen.

Auch hier wäre eine bessere Verteilung der Filmstarts sinnvoller, deswegen hier noch einmal zur Erinnerung eine kleine Liste an Doppelblockbustern, die seit der Wiedervereinigung nicht zu Ostern gestartet wurden:

 

Januar: Titanic (18,1 Mio.), Kevin - Allein zu Haus (6,5 Mio.), Bodyguard (6,3 Mio.), American Pie (6,2 Mio.)

Februar: Der mit dem Wolf tanzt (6,9 Mio.), Good Bye Lenin (6,6 Mio.), Was Frauen wollen (6,5 Mio.)

 

...und es muss ja nicht immer Doppelblockbuster-Status sein, oder?

 

 

Zusammengefasst gilt: Die Verleiher müssen für eine bessere Verteilung ihrer Filme sorgen und diese Filme dann auch dementsprechend vermarkten. Es nützt gar nichts, wenn Dutzende Filme ohne entsprechende Werbekampagne und Kopienzahlen in den Markt geworfen werden. Wenn die Amerikaner zu dieser Zeit nur Mittelware liefern, dann müsst Ihr gerade diese Mittelware bestmöglichst an den Mann bringen. Eure Blockbuster verkaufen sich quasi von allein, bei der Mittelware entscheidet sich Eure Kreativität und Kompetenz!

Und die deutschen Produzenten müssen für eine ganzjährige* Belieferung mit Hitfilmen sorgen. (*natürlich nicht in den Sommermonaten, dieses Minenfeld überlasst mal lieber den US-Produktionen - die können eine monatelange Hitzewelle verkraften, da sie in hundert Ländern starten, die deutschen Filme haben aber in der Regel nur den deutschsprachigen Markt zur Amortisation...).

 

Ich will endlich wieder steigende Zahlen zu Beginn eines Jahres sehen!

 

 

 

Aus Liebe zum Kino,

 

Euer Mark G.

 

P.S.

Wie immer ist jede Mail zum Thema willkommen und wird auf dieser Seite veröffentlicht.

 

 

Torben Sch:

Wie schon seit vielen Jahren, ist auch der Auftakt für das Kinojahr 2007 freundlich formuliert eher verhalten. Das Problem des schwachen Januars und Februars ist leider hausgemacht. Die potentiellen Zuschauer würden zurzeit gerne ins Kino gehen, jedoch stimmt das Angebot nicht. Das kann es in einer eigentlich kinostarken Zeit nicht sein. Die Fixiertheit auf das Frühjahr, speziell die Osterferien ist unerträglich. Filme wie „Neues vom Wixxer“ oder „Mitten ins Herz“ sind schon lange fertig, wie nicht zuletzt die flächendeckende Preview am Valentinstag zeigt, und werden trotzdem zurückgehalten – und das obwohl sie dringend gebraucht würden. Spätestens ab dem 29. März bricht schließlich das generalisierte Chaos aus. Während die Branche seit dem Start der „Wilden Kerle“ händeringend auf neue Kinderfilme wartet, fressen sie sich gegenseitig auf.

 

8.3.   „Rudi Rüssel 2“

22.3. „ Hände weg von Mississippi“

29.3. „Triff die Robinsons“

29.3. „Mr. Bean macht Ferien“

5.4.  „Die wilden Hühner 2“

 

Fünf Familienfilme in vier Wochen, oder noch deutlicher ausgedrückt. Vier Familienfilme in zwei Wochen verträgt der Markt, Osterferien hin oder her, nicht. Es wäre ein Leichtes gewesen, z.B. „Rudi Rüssel“ oder „Mississippi“ im Februar zu starten, z.B. wären der 15. oder 22. tolle Termine gewesen. So haben halt alle das Nachsehen. Der zeitgleiche Start von Mr. Bean und den Robinsons ist das größte Ärgernis des Quartals. Solch eine Terminpolitik geht auf Kosten der Kinos, der Zuschauer, die mit Sicherheit nicht das Geld haben, alles zu schauen, was die Kinder sehen wollen und nicht zuletzt auch der Verleiher, weil der Kuchen unter allen aufgeteilt wird und die Stücke für jeden einzelnen beträchtlich schrumpfen.

Dass genau die gleiche Politik im Moment im Filmkunstbereich praktiziert wird, ist mir unerklärlich. Dieser Bereich unterliegt am wenigsten einem Termindruck, da sich das Publikum in der Regel dann die Filme anschaut, wenn sie in einem Kino in ihrer Nähe angeboten werden. Starten drei oder mehr attraktive Titel an einem Wochenende, sind auch hier sämtliche Beteiligte Verlierer.

Dazu noch ein weiterer Gedanke: Es ist zu einer absoluten Unsitte geworden, dass die Verleiher ihr Filmkunstprogramm in den Multiplexen starten, ob wohl es im vielen Orten parallel zu den Plexen gut gehende Filmkunsttheater gibt. Filme wie „Die Queen“ oder „La vie en rose“ starten dort mit kaum zufrieden stellenden zahlen und werden dann in der zweiten und dritten Woche nur noch am Nachmittag gezeigt, um dann ganz aus dem Programm zu fliegen. Das ist unwürdig gegenüber den Filmen, den Programmkinos und vor allem den Zuschauern, und für mich überhaupt nicht nachvollziehbar.

 

Was bleibt als Fazit? Ich weiß es nicht. Sicherlich hat jeder Filmverleih gute Gründe, warum sein Film genau an dem vorgesehenen Starttermin das Licht der Kinowelt erblicken muss, jedoch wäre eine ausgewogenere Startpolitik für alle beteiligten ein Gewinn und letztendlich auch ein Beweis der Liebe zum Kino.

 

Stefan U:

Hallo Mark,

(bist du eigentlich der "Mark" bei Cinefacts? - Mark G: Nein) mal ein paar kurze Gedanken zu den Zahlen. Ich denke es liegt auch an der Zaghaftigkeit der Kinobetreiber/Verleiher. Als Beispiel möchte ich hier mal "Brücke nach Terabithia" nennen. Der Film hat in den USA gute Ergebnisse erzielt und hatte auch überwiegend gute Kritiken. In Deutschland war davon eigentlich bis kurz vor dem Start gar nichts zu hören. Viele Leute wissen mit dem Film einfach nichts anzufangen und verpassen so einen sehr guten und anrührenden Streifen. Dazu trägt sicherlich auch der Trailer bei, der viel zu wenig zu sehen war (ich persönlich kenne ihn nur aus dem Internet) und noch dazu die völlig falschen Erwartungen weckt. Statt des angepriesenen Fantasy-Actionfilms erwartet den Zuschauer ein herzerwärmendes, kindgerechtes Drama mit ca. 20 Minuten Fantasy-Elementen, die lediglich der Unterstreichung dienen.

Also eine völlig falsche und unzureichende Werbung. Hinzu kommt noch, dass der Film sehr zögerlich gestartet wurde. In vielen Kinos gibt es, wenn überhaupt während der Woche nur zwei Vorstellungen pro Tag. Bei anderen Filmen sieht es ähnlich aus. Auch das sind Gründe für die schlechten Besucherzahlen.

Gruß

 

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